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Weißt du wo Ladinien liegt ?

Im Grödnertal sind die Straßenschilder dreisprachig

Wenn du schon mal auf der Seiser Alm warst oder im Grödnertal, dann sind dir dort sicherlich die dreisprachigen Straßenschilder aufgefallen. Deutsch, Italienisch und ……. Ladinisch. Aber wer spricht Ladinisch? Wie hört sich diese Sprache an? Wo wird sie gesprochen? Welche Kultur steht dahinter?

 

Ladinische Kultur – nur noch in wenigen Tälern

Ursprünglich war Ladinisch wohl die am stärksten verbreitete Sprache in den Alpenregionen, aber heute gibt es nur noch wenige Täler, in denen die ladinische Kultur gepflegt wird.
Im Gadertal und im Grödner Tal, im Fassatal (Provinz Trentino), Buchenstein und Ampezzo (Provinz Belluno), im Friaul sowie im Schweizer Kanton Graubünden.

Obwohl in Südtirol die ladinische Bevölkerung nur etwa 4% beträgt, ist Ladinisch als eine der drei Landessprachen offiziell anerkannt. und wird zum Teil auch als Amts- und Schulsprache eingesetzt, besonders in Wolkenstein (Sëlva), St. Ulrich (Urtijëi) und St. Christina (Santa Cristina). Deshalb gibt es dort die dreisprachigen Straßenschilder.
Man sagt, dass vor der Eingliederung der Alpengebiete ins Römische Reich (also etwa 12-9 v.Chr.) die rätische Kultur in der Dolomiten-Region vorherrschend war.

 

Aus keltisch und römisch wird ladinisch

Lass uns einen weiten Blick zurück auf die Geschichte Ladiniens werfen: Etwa 12-9 v.Chr. wurden die Alpengebiete ins Römische Reich eingegliedert. Aber wie sah es dort vorher aus? Einige Historiker gehen davon aus, dass die Alpen ursprünglich, also bevor die Römer kamen, von Kelten besiedelt waren. Die vorherrschende Sprache war vermutlich Rätisch.
Als dann die römischen Beamten und Soldaten einströmten, vermischte sich deren Volks-Latein mit der rätischen Sprache und nach und nach formte sich das Ladinische aus dieser Mischung heraus. Es wird angenommen, dass das ladinische Sprachgebiet, also im Grunde das ursprüngliche Ladinien, von der Donau im Norden bis zum Gardasee im Süden, vom St. Gotthard Pass im Westen bis Triest im Osten, gereicht hat.

 

Damalige Selbstversorger-Siedlungen findet man heute noch

Aber nicht nur die Sprache hat sich aus dem Keltisch-Römischen entwickelt, sondern auch eine ganz eigenständige Kultur. Noch immer findet man die kleinen kompakten Siedlungsanlagen von damals, die sogenannten Viles, die sich über die Jahrhunderte erhalten und nur wenig verändert haben. Damals basierte diese gemeinschaftliche Organisation auf Selbstversorgung. Reichhaltige und magere Böden waren ausgewogen auf die Höfe verteilt und zwischen Ackerbau und Viehzucht herrschte ein sensibles Gleichgewicht. Die umliegenden Wälder und hochgelegenen Almweiden wurden gemeinsam genutzt. Dieses System ist leider von der heutigen Konsumgesellschaft ausgehöhlt und schließlich zerstört worden. Aber die Viles, die kleinen Siedlungen, schmücken hier und da noch dekorativ die Hänge, besonders in den schlechter zugängigen Gegenden. Sie erinnern an die alte Zeit, als die Bevölkerung noch nicht vom Tourismus abhängig war, sondern vor allem von den Jahreszeiten, dem Wetter und den Naturgewalten.

 

Vier “Sprachinseln” gibt es noch heute

Durch die Völkerwanderung wurde das ladinische Sprachgebiet immer mehr eingeengt und große Teile der ladinisch-sprachigen Bevölkerung wurden assimiliert. Heute sind die sogenannten vier ladinischen “Sprachinseln” übrig geblieben : Graubünden (Schweiz), Dolomitenladinien, Comelico und das Friaul.

 

Holzschnitzereien sind typisch für das Grödnertal

Damals, im ursprünglichen Ladinien, entwickelten sich auch die besonderen Eigenschaften der Ladiner. Nach wie vor sind sie für ihre ausgeprägten handwerklichen Fähigkeiten bekannt. Insbesondere ihre alpine Holzschnitzerei, die sich im 17. Jh. entwickelte, trug zu diesem Ruf bei. Ursprünglich vertrieb man sich mit dem Schnitzen die Zeit im langen Winter. Mit den Werken wurden Haus und Hof geschmückt und oft wurden später im Sommer auf den Märkten die Figuren verkauft, die im Winter entstanden waren. In St. Ulrich wurde schließlich eine Kunst- und Zeichenschule gegründet , die mit dazu beitrug, dass das Grödnertal für seine Schnitzereien weltweit bekannt wurde.

 

Das Handwerk wird von der Industrie verdrängt

Es tut mir an der Seele weh, wenn ich sehe, dass heute für den Tourismus die Schnitzereien fast alle maschinell reproduziert werden, da es sich sonst nicht mehr rentieren würde. Die industriell gefertigten Figuren sehen tatsächlich auch recht hübsch aus. Wenn man es nicht wüsste könnte man meinen, sie seien handgefertigt. Manchmal stehen in den Läden sogar aus China importierte Figuren dazwischen. Zum Glück gibt es noch einige wenige Schnitzer, die tatsächlich nach wie vor von Hand arbeiten, zumindest weitgehend. Und ich hoffe, dass sich immer wieder Jugendliche finden, die diese Tradition mit ganzem Herzen aufgreifen und voller Freude am Leben erhalten.

Falls du mal im Grödnertal bist: Es lohnt sich, einen Abstecher nach St.Ulrich ins ladinische Museum zu machen. Außer den wirklich alten Schnitzereien gibt es dort jede Menge andere interessanter Dinge zu entdecken.

 

Dem Schnitzer Christian kannst du beim Arbeiten zuschauen

Wenn du mal auf der Seiser Alm bist und einem echten Schnitzer beim Handwerk zuschauen möchtest, dann empfehle ich dir beim Christian vorbei zu schauen. In der Ritsch-Schwaige kannst du etwas essen oder einen Kaffee trinken und nach ihm fragen. Vielleicht sitzt er sogar am Nebentisch. Um seine zum Teil lebensgroßen Holzskulpturen zu bewundern und ihm beim Arbeiten auf die Finger zu schauen brauchst du nur über eine Wiese zu gehen. Dort steht eine alte Scheune, in der er meist arbeitet. Bestell ihm bitte einen lieben Gruß von Anni, der Jodlerin, dann freut er sich. Und wenn du Glück hast, jodelt er dir sogar etwas vor.

🙂

 

Unterscheidet sich die ladinische von der tiroler Küche?

Aber zurück zum alten Ladinien. Außer der Liebe zum Handwerk hat sich auch eine Leidenschaft für die gute Küche entwickelt. Leider kann ich persönlich ladinische und tiroler Gerichte nicht auseinanderhalten, vielleicht besteht inzwischen auch kein Unterschied mehr. Zumal die wandernden Touristen ganz bestimmte Gerichte in den Hütten und Hotels erwarten. Und ein guter Geschäftsmann passt sich natürlich der Nachfrage an. Aber das ist wohl ein Thema für sich. Vielleicht werde ich noch einen Beitrag mit tiroler/ladiner Rezepten schreiben… 😉

 

Alte ladinische Lieder hört man auch noch heute

Besonders am Herzen liegt mir, wie sollte es anders sein, die Ladinische Musik. Vor vielen Jahren habe ich angefangen ladinische Lieder zu lernen. Ein besonders schönes Stück habe ich dir schon im Artikel “Darf eine Hessin jodeln?” vorgestellt. Es heißt “ben danter mile steires” und handelt von einem Stern, der nicht mehr sichtbar ist, im übertragenen Sinne von einer verlorenen Liebe. Dieses Lied stammt aus der Val Badia Gegend und wird normalerweise im dortigen Dialekt gesungen, der sich etwas vom Grödnerischen unterscheidet. Die Version, die ich singe, ist von einer lieben ladiner Freundin ins Grödnerische übersetzt, weil ich sonst wirklich durcheinander käme. Inzwischen wächst mein ladinisches Repertoire stetig und durch das Singen, durch die Übung, kann ich sogar schon ein wenig einem ladinischen Gespräch folgen. Im Grödnertal gibt es eine Art National-Hymne, die jeder Ladiner dort kennt und die seine Liebe zu diesem besonderen Land zum Klingen bringt. Mir geht das Herz auf, wenn ich dieses wunderschöne Lied höre. Ich habe für dich einen Ausschnitt dreistimmig eingesungen:

Erwähnenswert ist, dass im B-Teil ganz genau die Grenze des Ladinischen Landes beschrieben wird. Und in der letzten Strophe heißt es: “Vergiss deine Muttersprache nicht”.

 

Es gibt auch moderne ladinische Musik

Seit einiger Zeit hört man in den Medien, auch über die Alpengrenzen hinaus, öfters von ladinischer Musik. Das Schwestern-Trio “Ganes” aus La Val, also aus den Dolomiten, hat sich mit selbstgeschriebenen Songs in ihrer Muttersprache einen Namen gemacht. Es ist frische, moderne Musik, professionell vermarktet. Die Mädels standen auch schon souverän mit der Jodel-Ikone Hubert von Goisern auf der Bühne. Freilich hat das Ganze mit traditioneller ladinischer Musik nur die Sprache gemeinsam, ich würde es eher dem Pop zuordnen. Aber es ist auf jeden Fall hörenswert und sympathisch. Und du kommst beim Zuhören in den Genuss der ladinischen Sprache. Hier ein Beispiel:

Der dazugehörige Youtube-Text erklärt:

“Crëps slauris, die bleichen Berge, erzählt die Geschichte der Mondprinzessin, die bei ihrem Geliebten auf der Erde bleiben kann, nachdem die Zwerge das Mondlicht über die schroffen Felsen der Dolomiten sponnen.”

 

Die Geschwister Schuen singen gemeinsam

Ganes setzt sich aus den zwei Schuen-Schwestern und einer Cousine zusammen. Der Bruder der Ganes-Schwestern ist ein gefragter Opern-, Konzert- und Liedsänger: Andrè Schuen.

Ich lernte ihn bei einem seiner Konzerte kennen und von ihm hörte ich zum ersten mal das wunderschöne ladinische Lied “Ben danter”, das ich dann später eingesungen habe. Es gibt eine sehr schöne ältere Youtube-Aufnahme, in der die drei Schuen-Geschwister dieses Lied in der Original-Fassung singen:

Ben danter – Geschwister Schuen (Youtube-Link)

Traditioneller Viergesang auf ladinisch

Falls du auf die Seiser Alm kommst oder dich im Grödner Tal aufhältst, dann solltest du unbedingt Ausschau halten, ob irdendwo “De Cater” singen. Es handelt sich dabei um eine traditionelle Viergesang-Gruppe, also a capella. Und weil die vier Sängerinnen echte Grödnerinnen sind, kommen in ihrem Repertoire auch einige ladinsche Lieder vor (viel zu wenig, finde ich). Ihre Konzerte sind immer wieder ein Hochgenuss. Hier ein Beispiel:

 

“Die Ladiner” singen (leider) selten ladinisch

Beim weiteren googeln über ladinische Musik landet man irgendwann unweigerlich bei “die Ladiner”. Das ist ein Duo aus dem Grödner Tal und die beiden sind tatsächlich auch Ladiner. Sie sind Musiker mit Herz und Seele und haben sich der alpinen Schlagermusik verschworen, aber sie geben leider nur gaaaanz selten wirklich ladinische Lieder zum Besten. Man muß schon sehr suchen. Das andere verkauft sich halt besser, glauben sie. Ich sehe das ja anders….. 😉
Hier eins der wenigen ladinischen Lieder, um dir das Suchen zu ersparen:

La neif ie tumeda – Die Ladiner (Youtube-Link)

 

ladinische Trachten sind ein Extra-Thema

Ich würde gerne noch ausgiebigst auf die wunderschönen ladinischen Trachten eingehen und auf die alten Bräuche und Traditionen, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Wenn ich in den Kommentaren sehe, dass Interesse besteht, werde ich in einer Fortsetzung auf diese Aspekte eingehen. Als Vorgeschmack aber wenigstens zwei Bilder:


Wer Trachten liebt sollte unbedingt das Museum in St. Ulrich (Link) besuchen.

 

ladinischer Abschied

Jetzt habe ich sooooo viel über Ladinien erzählt, da möchte ich mich auch wenigstens ladinisch verabschieden:
A s’udëi (auf Wiedersehen) 🙂

 

 

Nachsatz:   

Falls dich weitere Aspekte zu diesem Thema interessieren, dann lass es mich bitte wissen. ladinische Küche? ladinische Redewendungen ? ladinische Sagen? ladinische Trachten?
Und: Ich habe mich sehr bemüht, aktuelle und korrekte Informationen zu verarbeiten. Trotzdem können Fehler passieren oder Informationen unvollständig sein. Falls du Vorschläge zur Verbesserung dieses Artikels hast, würde ich mich sehr freuen, wenn du mir diese per email zukommen lässt.

Danke.

🙂

 

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Louis Riederer

    Bravo Anni. Eine ausgezeichnete Wuerdigung der Ladiner. Kenne die Schnitzkunst da sehr gut. Habe eine grosse lad. Kuh. Alpsound. von Willy Verginer. mit bespielbarer Schelle im Innern.
    Mach weiter so.
    Viele Gruesse
    Louis

    1. Anni

      Hallo Louis, da bin ich aber neugierig! Magst du mir ein Foto (oder mehrere) von deiner ladinischen Kuh schicken? Da würde ich mich sehr freuen.
      🙂
      LiebGruß

  2. Inge Auer

    Liebe Anni, ein wunderschöner Artikel über Ladinien, vielen, vielen Dank! Ich war ja im Mai das erste Mal im Grödnertal und habe mich sehr für die Sprache interessiert, sodass ich manche angesprochen habe, um sie mir zu erklären. Du darst ruhig mehr schreiben über die ganze Kultur, Kleidung, Gebräuche. Mich würde das interessieren. Ich hoffe, ich komme mal wieder dorthin. Liebe Grüße von Inge

    1. Anni

      Hallo Inge, das habe ich mir gedacht, dass du dich für diese besondere Kultur interessierst. Freut mich sehr.
      🙂
      Der nächste Ladinien-Artikel muss aber noch etwas warten. Jetzt ist mal wieder die Insel dran. Oder vielleicht etwas gaaaanz anderes.
      Lass dich überraschen!
      LiebGruß

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