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Der Ort macht die Musik

Das selbe Lied klingt unter anderen Umständen ganz anders

Es soll (endlich) mal wieder um Musik gehen. Ich habe in meinem Leben an vielen wundervollen Orten und mit sehr unterschiedlichen Menschen gesungen und musiziert. Und jedesmal entstand etwas Neues, etwas ganz Einzigartiges. Das selbe Lied kann ein völlig anderes Feeling haben, je nach Ort und Musiker-Zusammenstellung. Und je nach mentaler (und instru-mentaler) Stimmung. Es ist faszinierend, welche Wirkung das Umfeld auf das Klang-Empfinden und das Klang-Produzieren hat und wie es die Stimmung beeinflusst. Sowohl die der Instrumente als auch die der Menschen.

Auf Lanzarote habe ich nur selten Lust zu jodeln

Als Musiker kann man natürlich immer die Augen schließen und in eigene Fantasie-Welten abtauchen, was besonders in einem unterkühlt technisch eingerichteten Tonstudio oft von Nutzen ist. Dennoch bleibt der reale Sound des Raumes. Im Wohnzimmer klingt es einfach anders als in der Küche. In den Bergen anders als am Meer. Und das beeinflusst auch, wie sich das musikalische Gespräch mit den Mit-Musikern entfaltet und ob spontan Melodien entstehen (und wenn, dann welche). Spinnst du diesen gedanklichen Faden weiter, kommt die Frage auf, ob es einen Unterschied macht, in welchem Land der Musiker sich befindet. Auf Lanzarote zum Beispiel habe ich tatsächlich meist gar keine Lust zu jodeln. Dort zieht es mich plötzlich zu spanischer Musik oder kubanischen Boleros. Ich möchte dir hier ein paar sehr unterschiedliche Facetten meines musikalischen Lebens vorstellen und hoffe, es bereitet dir Kurzweil und Freude. Auf geht s.

In Halle an der Saale ist der Jazz zuhause

Die ältesten Aufnahmen, die ich habe, stammen aus meiner Zeit in Halle, wo ich damals an der Burg Giebichenstein Kunst studiert habe. Die Mauer war zwar schon unten, aber der ostdeutsche Geist schwebte noch überall umher. Anders als heute. Das ist in diesem Fall durchaus positiv gemeint, denn “im Osten” gab es eine ungemein vitale Jazz-Kultur, die mich damals unweigerlich in ihren Sog gezogen hat. Ohne darüber nachzudenken und ohne es zu merken umgab ich mich immer mehr mit Musikern, die dieses alte Jazz-Feeling noch im Blut hatten. Einen dieser Urgesteine der Hallenser Jazz-Szene kennst du bereits aus dem Artikel “Darf eine Hessin jodeln?”: Den Bassisten Peter Häseler. Wenn du mehr über ihn erfahren möchtest, klicke einfach auf seinen Namen. Dann öffnet sich seine Website.
Ich habe für dich einen Ausschnitt aus “Sweet dreams” vorbereitet, aufgenommen in einem Hallenser Studio. Spielerisch, ohne vorherige Probe, neugierig aufeinender lauschend. So mag ich es am liebsten, weil sich dann unerwartete Dinge entwickeln können.

Sweet Dreams:

 

Auch die Zeit verändert die Musik

Zum Parameter “Ort” hat sich also “Mitmusiker” gesellt. Mal sehn, was noch dazu kommt…     🙂
Sweet Dreams – Dieser Song stammt ursprünglich von den Eurythmics, aus den 80er Jahren. Das Original transportiert ein ganz anderes Feeling als die sehr minimalistische Aufnahme von Peter und mir. Wir können also zu den ersten zwei Parametern noch die Zeit als Veränderungsmoment hinzufügen. Am selben Ort mit den selben Musikern den selben Song zu spielen, aber zehn Jahre später….. da würde mit Sicherheit etwas Anderes heraus kommen. Man sagt auch: “You can not cross the same river twice” (du kannst den selben Fluss nicht zweimal überqueren)

 

Auf die Mit-Musiker kommt es (natürlich) auch an

Ein weiterer sehr bekannter Musiker der damaligen Hallenser Szene war der Pianst Volker Kruschinsky. Viele kannten ihn, weil er im Konservatorium den Jazz-Chor leitete und für sein unglaublich gutes (und manchmal gnadenloses) Gehör berüchtigt war. Leider ist er vor einigen Jahren verstorben. Ich hatte das große Glück mit ihm häufig im Duo aufzutreten und habe viel von ihm gelernt. Aus dieser Zeit besitze ich noch einige Studio-Aufnahmen. Ein paar Ausschnitte habe ich für dich vorbereitet, damit du hinein lauschen kannst. Wie kleine Kostbarkeiten aus einer vergangenen Zeit erscheinen sie mir.

Angel Eyes:

Vielleicht kennst du die Version von Sting, die ich sehr liebe. Dazu fällt mir ein weiterer Parameter-Punkt ein: Es macht bei vielen Songs einen großen Unterschied, ob sie ein Mann oder eine Frau singt. Irgendwie kann sich der Inhalt geschlechtsspezifisch sehr leicht verschieben. Oder?

Cold Outside:

Eine der ganz wenigen Aufnahmen, in der auch Volker singt. Ich ziehe den Hut vor ihm, denn ich weiß wie schwer es ist, gleichzeitig Klavier zu spielen und zu singen. Ich habe für dich die Stelle ausgesucht, an der wir gemeinsam improvisieren. Meine Stimme habe ich hier sehr untypisch eingesetzt, weil das Stück einen Marilyn-Monroe-Charakter besitzt.

Summertime: 

An diesen wundervollen Klassiker aus “Porgy and Bess” kommt wohl kein Musiker vorbei, zumal er häufig auf Jam Sessions angespielt wird. Das Original (1935) hat Musical-Charakter, obwohl “Porgy and Bess” tasächlich als Oper gelistet ist. Volker kam auf die geniale Idee, sich den Rhythmus von “Cantaloupe Island” auszuleihen und so dem Stück einen besonderen Charakter zu geben.

 

An wen wendet sich die Musik?

Ich springe nun in der Zeitleiste ein wenig vor. Um 2008, immer noch in Halle, habe ich mich sehr auf Volks- und Kinderlieder konzentriert. Wenn du den Artikel “Darf eine Hessin jodeln” aufmerksam gelesen hast, dann kennst du schon “Dornröschen”, eins der selbstgeschriebenen Lieder aus meinem damaligen Kinder-Programm “HänschenKlein goes Jazz” . Ich glaube fast, dass soviel Jazz in der Hallenser Luft lag und liegt, dass selbst die Volks- und Kinderlieder unweigerlich davon eingefärbt werden. Und hier versteckt sich ein Parameter, der häufig übersehen (bzw überhört) wird: Die Musik verändert sich automatisch, je nachdem, an wen sie sich wendet. Für Kinder singt man anders als für Erwachsene. Oder? Hier ist ein weiterer Ausschnitt, den ich im Archiv gefunden habe, ein live-Mitschnitt aus meinem Kinderprogramm:

Wenn ich ein Vöglein wär: 

 

Auf Lanzarote wird es spanisch

So, jetzt hüpfe ich mal zur Abwechslung nicht auf der Zeitleiste hin und her, sondern an einen anderen Ort. Nachdem ich die Straßenmusik für mich entdeckt hatte, habe ich mir nach und nach ein kleines Repertoire angeeignet, das ich alleine, ohne andere Musiker, zum Besten geben kann. Mit Akkordeon hast du mich ja jetzt schon gehört. Oft begleite ich mich aber auch mit meiner Guitarlele. Das ist eine Gitarre, die so klein wie eine Ukulele ist. (siehe zweites Foto)

Besonders auf Lanzarote kommt sie oft zum Einsatz. Weil dort spanisch gesprochen wird, habe ich nach und nach auch einige spanische Lieder gelernt. Hier ein Auschnitt aus “La passion”, ein kubanischer Bolero. Natürlich -wie könnte es anders sein- ein Liebeslied. Dieses Stück habe ich häufig auf den Märkten Lanzarotes gespielt. Die Aufnahme ist allerdings etwas später im Studio in Halle entstanden. Vincent Wiek hat mich wundervoll mit seiner Gitarre unterstützt und einen spanischen Flair gezaubert. Danke Vince. 🙂

La passion: 

Auch im folgenden Lied hörst du Vincent an der Gitarre, diesmal ohne meine Guitarlele. Es ist ein sehr trauriger aber auch sehr schöner Text, der beschreibt, wie eine Frau aus Liebeskummer langsam ins Meer hineinschreitet und nie zurückkehrt.

Alfonsina: 

 

In Deutschland wird es auch mal deutsch

Nun zur Abwechslung mal etwas Deutsches. Im selben Studio, aus dem auch die Aufnahmen mit Peter und Vincent stammen, ist auch das folgende Lied entstanden. Ich habe es alleine mit meiner Guitarlele eingespielt, so wie ich es auch auf der Straße vortragen würde. Allerdings habe ich die Technik ausgenutzt, um eine zweite Stimme darüber zu singen. Das Original stammt von Bette Middler aus dem Film “The Rose” (sehr sehenswert). Die deutsche Version, die ich hier singe, kennt kaum jemand, also eine kleine Rarität:

Die Rose: 

…und in den Bergen wird gejodelt

Wenn ich schon so viele verschieden musikalische Richtungen aufliste, dann darf natürlich auch ein kleiner Jodler von der Seiser Alm nicht fehlen. In “Darf eine Hessin jodeln” hast du ja schon einiges in diese Richtung gehört. Hier noch eine kleine Perle, mal wieder mit Peter Häseler am Bass.   🙂
Berge: 

 

Wüsten-Blues

Und was passiert, wenn ich auf Lanzarote alleine in einer der großen unterirdischen Lawa-Höhlen stehe und mich der Klang dieses urtümlichen Ortes so fasziniert, dass ich nicht anders kann als zu singen? Hier kannst du in den “WüstenBlues” hinein lauschen. Schließe deine Augen uns lass die Kamele vorüber ziehen….

Wüstenblues:

never ending story …Fortsetzung folgt

Eigentlich wollte ich diesen Artikel zur Abwechslung mal etwas kürzer halten, aber anscheinend ist das wider meiner Natur. Jeden Tag finde ich noch eine weitere Aufnahme, die in diesen Artikel passen würde. Zum Beispiel habe ich eine Weile lang bezahlte Studioarbeit gemacht, also die Projekte anderer eingesungen. Irgendwo müsste ich noch etwas aus dieser Zeit haben. Das waren wieder gaaaanz andere Sachen, zum Teil Disco- und Tanz-Musik, was normalerweise nicht unbedingt in meinen Programmen auftaucht. Es zieht mich musikalisch in andere Richtungen. Trotzdem hat das Einsingen Spaß gemacht und hier und da höre ich mich wie eine Opernsängerin an.   🙂

An dieser Stelle  mache ich jetzt einfach mal einen Punkt.. Vielleicht kommt  später irgendwann eine Fortsetzung……
🙂

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. mich interessiert was du machst, ich mag handgemachte Musik, mit kleiner Instrumentierung, ich folge dir mal…
    lg Wolfgang

  2. Gaensehaut!
    Wunderbar, Anni!! Konnte ganz eintauchen. Und da ich dich kenne, war das doppelt schoen und es macht Lust auf mehr….
    Muchas gracias, corazon!

    Uschi, Lanzarote

    1. Anni

      Danke Uschi, das freut mich sehr. 🙂

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