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Anleitung zum Leben (1)

Wie funktioniert das Leben?

Worum geht es eigentlich in diesem Leben? Oder besser: Wie funktioniert es? Ist es Spiel oder Ernst? Gibt es Regeln? Wenn ja, dann welche? Was passiert, wenn man die nicht einhält? Kann mir bitte mal jemand eine anständige Bedienungs-Anleitung in die Hand drücken? Kurz und bündig? Ein Tutorial oder sowas? Wieso bin ich ohne Anleitung in das große Spiel dieser Welt geworfen worden?

 

Gibt es ein Tutorial?

Solche Gedanke habe ich schon sooo oft gehabt. Und das hat dazu geführt, dass ich sofort aufhorche, wenn sich etwas auch nur im Entferntesten nach Lebens-Anleitung anhört. Ja, sicher: unsere Eltern und später die Lehrer in der Schule haben sich Mühe gegeben, uns Regeln einzutrichtern. Aber ein einfacher, übersichtlicher Leitfaden ist nicht wirklich daraus geworden. Viel zu viele Widersprüche, zu viele Verbote, zu viele moralische Verschleierungen. Was ich gesucht habe (und immer noch suche) ist eine Anleitung, wie man sie zum Beispiel beim Kauf einer Waschmaschine bekommt: Wenn Sie auf den linken Knopf drücken, dann passiert das und das. Wenn Sie auf den daneben drücken, dann was anderes. Und der kleine rote lässt das Ding explodieren. Da steht nicht: Drücken Sie nicht auf den kleinen roten Knopf. Man wird nur über die Folgen informiert. Und zwar so neutral und so ausführlich wie möglich. Ohne Zeigefinger, ohne Moral. Das gefällt mir. Sowas muss es doch auch für das Leben geben?

Die Religionen haben ihre Verbote

Auf meiner Suche bin ich natürlich massenweise über religiöse Anleitungen gestolpert. Klar. Die 10 Gebote kommen einem sofort in den Sinn. Aber da wimmelt es derartig von erhobenen Zeigefingern, dass einem ganz schwindelig wird. In den religiösen Schriften sind es vor Allem Verbote, die das Leben miteinander einfacher machen sollen. Das macht ja auch Sinn. Aber es ist nicht das, was ich suche. Auch wenn es in seiner listenhaften Klarheit der Sache oft schon ziemlich nahe kommt.

 

Mein Vater schrieb mir eine Anleitung

Irgendwann habe ich dann meinen Vater gefragt, ob er mir mal bitte eine Anleitung schreiben kann. Schließlich hat er ja mit dazu beigetragen, dass ich mich auf diesem Planeten befinde. Er hat mir tatsächlich etwas geschrieben. Seinen wunderschönen Text werden ich vielleicht später in einer Fortsetzung dieses Artikels veröffentlichen.

 

Aus meiner Suche wird eine Sammlung

Nun ja, du ahnst es sicher schon: Aus meiner Neugierde ist eine waschechte Sammlung geworden. Ich sammele Lebensanleitungen. Drei meiner Lieblings-Exemplare werde ich dir jetzt hier vorstellen:

 

Don Bosco bringt es auf den Punkt

1 ) Von Don Bosco stammt ein einfacher kleiner Satz, der sich mir schon in meiner Jugend eingeprägt hat und der für mich im Rückblick immer ein Leitfaden.

Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen

Dieser Satz sagt mir zwar nicht wirklich, was dann passiert, wenn ich dieses Rezept einhalte (siehe Waschmaschine), aber er eignet sich hervorragend dafür, dem Denken und Tun eine gesunde Richtung zu geben. Eine Art Maß, das man immer dabei haben kann und das bei Entscheidungen helfen kann, auf eine leichte, natürliche Art.

Dieser Satz ist tiefgründiger als es den Anschein hat

Anfangs dachte ich, ja klar, die Spatzen pfeifen lassen, also die Dinge einfach so lassen, wie sie sind. Irgendwann kam ich darauf, dass von Spatzen die Rede ist und nicht von Kanarienvögeln. Also von einer Vogel-Art, der normalerweise nicht all zuviel Achtung entgegengebracht wird. Das gibt dem Sinn eine zweite Ebene: Lass auch dem anscheinend (!) Minderwerdtigen oder Einfachen seinen Raum und seine Freiheit. Wieder einige Jahre später bekam der Satz für mich die Bedeutung, dass es immer Menschen geben wird, die auf die eine oder andere Art über mich reden und dass mich das nicht kümmern sollte. Irgendwie scheint sich der Satz meinen Lebensumständen anzupassen. Mit hat er auf jeden Fall immer gut getan.

 

Ist der Text von Nelson Mandela oder Marianne Williamsen?

2) In meiner Sammlung befindet sich auch ein Text, der häufig Nelson Mandela zugeschrieben wird. Er stammt aber von Marianne Williamsen (geb. 1952). Obwohl in ihm von Gott die Rede ist, was ihn aus oben genannten Gründen eher untauglich für meine Sammlung macht, gefällt mir die Grund-Aufforderung: Mach dich nicht kleiner als du bist. Schöpfe deine Kraft aus. Lebe dein Potential. Nutze, was dir gegeben ist. Das haben viele Menschen verlernt oder vergessen oder es ist ihnen weg erzogen worden. Zumindest kenne ich sehr viele, die sich zur Gewohnheit gemacht haben, sich kleiner zu machen, als sie sind. Ich gebe zu, dass es in unserer Gesellschaft oft auch zum guten Ton gehört. Aber ist es nicht schade, dass man nicht einfach mal sagen kann: “Schau mal, wie schön ich bin” oder “Ich finde mich großartig”, ohne dass alle zutiefst irritiert sind? Aber hier erstmal der Text:

 

Lass dein Licht strahlen

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Unsere tiefste Angst ist es nicht, ungenügend zu sein.
Unsere tiefste Angst ist es, dass wir über alle Maßen kraftvoll sind.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, was wir am meisten fürchten.

Wir fragen uns, wer bin ich denn,
um von mir zu glauben, dass ich brillant, großartig, begabt und einzigartig bin?

Aber genau darum geht es, warum solltest du es nicht sein?
Du bist ein Kind Gottes. Dich klein zu machen nützt der Welt nicht.
Es zeugt nicht von Erleuchtung, sich zurück zu nehmen,
nur damit sich andere Menschen um dich herum nicht verunsichert fühlen.

Wir alle sind aufgefordert, wie die Kinder zu strahlen.
Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes, die in uns liegt, auf die Welt zu bringen.

Sie ist nicht in einigen von uns, sie ist in jedem.
Und indem wir unser eigenes Licht scheinen lassen,
geben wir anderen Menschen unbewusst die Erlaubnis, das Gleiche zu tun.

Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,
befreit unser Dasein automatisch die Anderen.

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Diese Anleitung hat zwei Gesichter

Diese “Anleitung” ist ein zweischneidiges Schwert, wenn man genauer hinschaut. Es erfordert sehr viel Kraft und auch Demut, nach ihr zu leben. Denn wer seine Stärke zeigt fordert automatisch, ohne es zu wollen, andere heraus, sich mit einem zu messen. Nicht umsonst machen sich junge Hunde ganz klein, wenn sie an älteren vorbei kommen. Sie sagen: “Ich bin ganz schwach, ich bin keine Gefahr für dich. Ich werde dir nicht deinen Rang streitig machen.” Also wenn du lieber deine Ruhe haben willst und Konfrontationen scheust, dann ist es wohl besser, wenn du weder deine Kraft noch deine Schönheit noch irgendein anderes Potential für andere offensichtlich machst und immer schön im Hintergrund bleibst. Kann ich gut verstehen, meine persönliche Idee von Leben sieht aber anders aus: Wozu habe ich das mir Gegebene, wenn ich es nicht nutzen und genießen darf? Wenn ich aus Höflichkeit nicht helfen darf? Wenn mir die Etikette verbietet schön zu sein. Wenn niemand wissen darf, dass ich die Antwort kenne? Wie gesagt: ein zweischneidiges Schwert und jeder muss für sich selbst herausfinden, wie weit er in welche Richtung gehen kann und will.

 

Bis jetzt bin ich mit keiner Anleitung zufrieden

Bis jetzt ist noch keine der vorgestellten Anleitungen von der Art gewesen, die ich anfangs beschrieben habe, oder? Auch die dritte, die jetzt kommt, zählt hauptsächlich auf, was man tun soll und was nicht. Sie ist alles andere als neutral und lässt mir nicht die Wahl, ob ich den roten (Waschmaschinen-)Knopf drücken darf oder nicht. Dennoch ist sie (bis jetzt) mein Favorit. Obwohl auch sie aus dem religiösen Bereich kommt. Aber man merkt es ihr erstaunlicherweise nicht an, finde ich. Ein einfach formulierter aber dennoch recht umfangreicher Leitfaden. Die Herkunft des Textes ist umstritten. Wahrscheinlich schrieb ihn 1927 der amerikanische (deutsch-stämmige) Rechtsanwalt Max Ehrmann. Oft wird er als ” Lebensregel von Baltimore” bezeichnet.

 

Desiderata

Gehe ruhig und gelassen durch Lärm und Hast und sei des Friedens eingedenk, den die Stillen bergen kann.

Äußere deine Wahrheit ruhig und klar und höre anderen zu; auch den Geistlosen und Unwissenden, auch sie haben ihre Geschichte.

Meide laute und agressive Menschen. Sie sind eine Qual für den Geist.

Wenn du dich mit anderen vergleichst, könntest du bitter werden und dir wichtig vorkommen, denn immer wird es jemanden geben, größer oder geringer als du.

Freue dich deiner eigenen Leistungen wie auch deiner Pläne. Bleibe weiter an deiner eigenen Laufbahn interessiert, wie bescheiden auch immer. Sie ist ein echter Besitz im wechselnden Glück der Zeiten.

In deinen geschäftlichen Angelegenheiten lass Vorsicht walten, denn die Welt ist voller Betrug. Aber dies soll dich nicht blind machen gegen gleichermaßen vorhandene Rechtschaffenheit. Viele Menschen ringen um hohe Ideale und überall ist das Leben voller Heldentum.

Sei du selbst, vor allen Dingen heuchle keine Zuneigung. Noch sei zynisch was die Liebe betrifft, denn auch im Angesicht aller Dürre und Enttäuschung ist sie doch immer während wie das Gras.

Ertrage freundlich-gelassen den Ratschluss der Jahre, gib die Dinge der Jugend mit Grazie auf.

Stärke die Kraft des Geistes, damit sie dich in plötzlich hereinbrechendem Unglück beschützt. Aber beruhige dich nicht mit Einbildungen. Viele Befürchtungen sind Folgen von Erschöpfung und Einsamkeit.

Bei einem heilsamen Maß an Selbstdisziplin sei gut zu dir selbst. du bist ein Kind des Universums, nicht weniger als die Bäume und die Sterne. Du hast ein Recht hier zu sein. Und ob es dir nun bewusst ist oder nicht: Zweifellos entfaltet sich das Universum wie vorgesehen.

Darum lebe in Frieden mit Gott, was für eine Vorstellung du auch von ihm haben magst und was auch immer dein Mühen und Sehnen ist. In der lärmenden Wirrnis des Lebens erhalte dir den Frieden deiner Seele. Trotz all ihrem Schein, der Plackerei und den zerbrochenen Träumen ist diese Welt doch wunderschön.

Sei vorsichtig im Streben danach glücklich zu sein.

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Da werde ich wohl ein Buch schreiben müssen

So, das reicht erstmal als input. Es scheint, als gäbe es die Anleitung nicht, nach der ich suche, deshalb werde ich wohl irgendwann selber eine schreiben müssen. Ich befürchte allerdings, dass es ein ziemlich dickes Buch wird. Wenn es soweit ist, lasse ich es dich wissen…..

🙂

 

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Jörg Zantow

    Liebe Anni, sehr interessante Ansätze für eine Anleitung …ich selbst kenne meine Lebensanleitung nicht…sonst wären einige Lebenssituationen vielleicht anders verlaufen…das Leben ist ein langer Fluss mit vielen Biegungen, Untiefen und manchmal seichten Ufern.
    Viel Freude beim Schreiben 🙏

    1. Anni

      Hallo Jörg, ja, da hast du Recht: der Fluss des Lebens mäandert so vor sich hin wie er will, mit viel unerwartetem Richtungswechsel. Vielleicht macht ja eine Anleitung gar keinen Sinn? Denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. 🙂

  2. Inge Auer

    Liebe Anni, deine Gedanken und Lebensweisheiten von anderen, über die du schreibst, haben mich sehr bewegt. Es ist jetzt 6:30 Uhr und ich will dir gleich schreiben. Ich war immer ein sehr fröhliches Kind, aber eben auch in einer Zeit aufgewachsen, wo es so oft hieß: “Sei still, sei nicht so vorlaut etc.etc.” Morgen werde ich 80 Jahre alt, ich bin immer noch eine fröhliche Gesellin, hatte viel Freude im Leben und Probleme, die man lösen konnte, waren für mich keine Probleme. Schwierigkeiten gibt es überall. “Liebe deinen Nächsten wie dich selbst”, das ist meines Erachtens ein Lebensmotto und wäre “Gebrauchsanweisung” genug. Das ist kein leichter Satz. Aber wenn ich meine Stärken, auch meine Schwächen nicht lieben kann, kann ich sie auch nicht bei jemandem anderen lieben oder wenigstens akzeptieren. Oft grüßen mich Menschen auf der Straße oder sie lächeln mir zu. Ich kenne sie nicht und frage mich, warum sie mich grüßen. Vielleicht merken sie, dass ich glücklich bin. Und ihr Gruß macht meinen Tag noch schöner. Liebe Anni, ich glaube, ich könnte einen Roman schreiben, aber das will ich dir ersparen. Ich bin gespannt auf viel Neues von dir. Sei herzlich umarmt und danke für deine Gedanken. Sie sind ein Geburtstagsgeschenk für mich. Alles Liebe von Inge

    1. Anni

      Hallo liebe Inge, erstmal: herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Es freut mich sehr, dass ich dir mit meinem Artikel eine kleine Freude bereiten konnte. Alles Liebe.

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